Wohncoaching unterstützt Menschen in ihren eigenen Wohnungen. Wie sieht das in der Praxis aus? Zwei Fachpersonen und Klient*innen berichten von ihren Erfahrungen und Herausforderungen.
«Die Gespräche mit meiner Wohnbegleiterin geben mir Sicherheit. Ich kann Belastendes und Schönes ansprechen und werde im Alltag zuverlässig unterstützt. Besonders schätze ich die vertrauensvolle, ermutigende Zusammenarbeit auf Augenhöhe – sie stärkt mich, neue Schritte zu wagen.»
Celina
Klientin Wohncoaching
Ein Gespräch, ein kurzer Anruf, eine Nachricht per WhatsApp – oft sind es kleine Impulse, die im Alltag den Unterschied machen. Wohncoaching ist eine Form der Unterstützung, die sich am Leben der Menschen orientiert – flexibel, alltagsnah, bedarfsorientiert. Weg von stationären Heimen, hin zu mehr Selbstbestimmung und Stabilität in den eigenen vier Wänden. Das Töpferhaus hat diesen Bedarf früh erkannt und sein Angebot laufend weiterentwickelt.
Individuell und beziehungsorientiert
Wohncoaching richtet sich an Erwachsene zwischen 18 und 65 Jahren, die in eigenen Wohnungen leben oder diesen Schritt wagen wollen. Der Unterstützungsbedarf ist dabei so individuell wie die Lebenssituation: Hilfe beim Einkaufen, bei administrativen Aufgaben, bei Behördenkontakten oder in psychischen Krisen. Oft reichen ein bis zwei Besuche der Fachperson pro Woche, manchmal genügt ein kurzes Gespräch. Viele Treffen finden zu Hause statt, andere telefonisch oder digital. Die Begleitung orientiert sich stets am Alltagsbedürfnis. Zentral ist auch die enge Zusammenarbeit mit dem bestehenden Helfernetz: Angehörige, Therapeut*innen, Spitex. Wohncoaching ergänzt, stabilisiert, stärkt. So lange, wie es nötig ist.
Sandra Schriber (l.), stellvertretende Bereichsleitung Externes Wohnen und Tara Herr (r.), stellvertretende Teamleitung Teilbetreutes Wohnen und Wohncoaching
«Die Vielfalt, die Nähe zu den Klient*innen und die Beziehungspflege motivieren mich. Wir haben Anteil an ihrem Leben. Die Wertschätzung, die wir erhalten, zeigt, wie viel ihnen unsere Arbeit bedeutet.»
Sandra Schriber
Stellvertretende Bereichsleitung Externes Wohn
Neue Wege dank AIU
Seit Kurzem ergänzt das kantonale Pilotprojekt AIU (Abklärung individuelle Unterstützung) das Angebot des Töpferhauses. Es ermöglicht IV-berechtigten Menschen im Kanton Aargau, mit gezielter Begleitung in einer eigenen Wohnung zu leben – unabhängig von der Art der Beeinträchtigung.
Die Bedarfsabklärung läuft über die kantonale AIU-Stelle. Nach der Anmeldung wird gemeinsam mit der betroffenen Person festgelegt, welche Unterstützung sie benötigt. Auch die Wohnungssuche ist Teil des Angebots – dafür stehen zusätzliche Stunden zur Verfügung. Wurde eine Wohnung gefunden, wird ein individueller Hilfeplan erstellt. Daraus ergeben sich Umfang und Inhalt der Begleitung. Die Klient*innen wählen die Coaching-Institution selbst – ganz im Sinne der Wahlfreiheit, wie sie die UNO-Behindertenrechtskonvention fordert. Der Kanton überträgt anschliessend den Auftrag und die genehmigten Stunden an die gewählte Institution. Durch dieses neue Angebot begleitet das Töpferhaus kantonsweit Menschen mit Beeinträchtigungen.
Wohncoaching – ein Berufsfeld mit Tiefe
Im Wohncoaching arbeiten Fachpersonen – und im neuen Angebot AIU auch Assistenzpersonen – eng zusammen. Fachpersonen mit einer Ausbildung in Sozialer Arbeit oder Sozialpädagogik (FH/HF oder vergleichbar) bringen breites Fachwissen mit. Sie begleiten Menschen durch herausfordernde Lebensphasen, fördern Selbstständigkeit und arbeiten eng mit Behörden und Netzwerken zusammen.
Assistenzpersonen sind im Rahmen von AIU dort aktiv, wo Klient*innen aufgrund einer Beeinträchtigung gewisse Tätigkeiten nicht selbst übernehmen können – etwa beim Einkaufen oder beim Fahrdienst. Ihre Arbeit entlastet konkret und schafft Sicherheit im Alltag. Was alle Mitarbeitenden verbindet, ist die Nähe zum Leben der Klient*innen. Ob fördernd oder unterstützend: Im Wohncoaching geht es um echte Begegnung, gegenseitiges Vertrauen und die Freude an kleinen oder grossen Entwicklungsschritten.
«Mich motiviert die Nähe zu den Menschen, die individuelle Begleitung und die Vielfalt der Themen. Austausch, vernetztes Denken, aktives Mitgestalten, viel Eigenverantwortung und ein unterstützendes Team machen die Arbeit spannend und sinnstiftend.»
Tara Herr
Stellvertretende Teamleitung Teilbetreutes Wohnen und Wohncoaching
Wünsche für die Zukunft?
Mehr Zeit für Menschen statt für Formulare. Eine Praxis, die weniger durch Bürokratie gebremst wird. Und mehr Anerkennung für eine Arbeit, die oft im Stillen geschieht – aber viel bewirkt. Auch in der Ausbildung sollte die «aufsuchende Arbeit» stärker verankert sein – damit künftig mehr Fachpersonen mit Mut, Wissen und Vertrauen in dieses Berufsfeld einsteigen.
«Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal so selbstständig leben kann. Anfangs fiel mir schon das Einkaufen schwer. Heute gelingt mir dies dank gemeinsam entwickelter Strategien. Besonders wichtig ist für mich auch die emotionale Unterstützung und die enge Zusammenarbeit mit meinem Helfernetz.»
Klientin, Wohncoaching
Gut zu wissen: Der Bereich Wohnen umfasst drei Angebote: Betreutes und Teilbetreutes Wohnen sowie Wohncoaching. Die Begleitung wird individuell an den Bedarf der Klient*innen angepasst. Beim Wohncoaching ergänzt ein kantonales Angebot (AIU) dasjenige des Töpferhauses. Interessiert bei uns zu arbeiten? Dann sende deine Bewerbung an spontan@toepferhaus.ch