
Ein besonderer Gast beherbergte kürzliche das Betreute Wohnen an der Bachstrasse. Sofort eroberte er die Herzen aller. Sarah Brügger, Klientin WG West 2, hat das Erlebnis in Worte gefasst. Eine berührende Geschichte.
Einmal beim Nachtessen in der WG West 2 war die Aufregung gross: Das Betreuungsteam erzählte, dass wir im Büro einen kleinen Igel haben. Sofort nach dem Essen eilten wir dorthin, um den süssen Gast zu bestaunen. Er war in einen offenen Fensterschacht gefallen und kam nicht mehr raus. Jemand hat ihn gefunden und zu uns gebracht.
In einer Kartonschachtel auf dem Tisch lief er umher und suchte einen Ausgang. Wir dachten, er hat vielleicht Durst und füllten einen Unterteller mit Wasser. Aber statt zu trinken, biss er in den Tellerrand und stemmte ihn hoch.
Wahrscheinlich versuchte er, das Tellerchen umzudrehen, um sich darunter zu verstecken. Dabei leerte das Wasser aus.
Ich bastelte ihm aus einer kleineren Kartonschachtel ein Häuschen, damit er sich sicherer fühlte. Andere sammelten draussen Grasbüschel und Herbstblätter. Wir legten alles in eine Plastikbox, weil die Kartonschachtel vom ausgelaufenen Wasser instabil wurde. Er verkroch sich gleich unter dem Laub.
Zum Glück blieb er aber nicht darunter versteckt, sondern gügselte mit seinem kleinen Näschen schon wieder raus, und wühlte sich in der ganzen Box über und unter dem Laub hindurch.
Im Internet fanden wir die Information, dass man Igel, die im Herbst weniger als 200 Gramm wiegen, in eine Igelstation bringen soll. Unser kleiner Gast wog nur 156 Gramm! Ich kochte ihm Rührei ohne Salz und wir stellten es zusammen mit einem Tässchen Wasser in seine Kiste. Zufrieden schmatzend machte er sich über den Teller her.
Jeder Person, die am Büro vorbeikam, riefen wir entgegen: «Wir haben einen Igel!» Alle bewunderten unser kleines Igelbaby. Dann sagten die Betreuer, wir sollten ihn zur Ruhe kommen lassen. Schweren Herzens liessen wir ihn in der abgedeckten Box allein im Nebenzimmer zurück, damit er in Ruhe schlafen konnte.
Eine Betreuungsperson brachte ihn am nächsten Morgen in eine Igelstation, welche uns einige Zeit später mitteilte, dass es dem Kleinen gut ging und er nun stolze 500 Gramm wog. Es war übrigens ein Weibchen und sie hatten es «Tajé» genannt.
Zuerst hiess es, wir dürften Tajé bei uns wieder auswildern. Wir hätten sie zwei Wochen in einem Gehege im Garten halten und füttern dürfen. Doch die Igelstation meinte plötzlich, unser Quartier sei wegen den vielen Strassen ungeeignet. So konnten wir Tajé leider nicht wiedersehen. Die Igelstation hat das Igelweibchen an einem besseren Ort ausgewildert und ich hoffe, dass sie sich ein kuscheliges Laubnest gebaut hat und darin gemütlich dem Frühling entgegen schlummert.
Tajé war mit Sicherheit die süsseste und herzigste Klientin, die das Betreute Wohnen im Töpferhaus je betreut hat.